Alles ist gleich und doch alles anders!
In der Schule geht es gut voran. Was jetzt immer mehr auffällt ist, wie unterschiedlich die Kinder in ihren Lernprozessen sind. Ein Junge zum Beispiel hat sehr viel Potenzial. Er kann bereits Multiplizieren und Sätze von der Tafel in sein Heft richtig übernehmen. Andere können nicht einmal die Eins schreiben geschweige denn das "e" vom "u" unterscheiden.
In dieser Woche haben Robin und ich außerdem noch Michael begleitet der mit uns von Haus zu Haus gegangen ist um alle Kinder im Alter von 4 bis 13 zu protokollieren. Dabei haben wir noch einmal die Armut die hier herrscht genauer zu Gesicht bekommen. Zeitweise hatten die Familien wirklich nur Häuser aus rostigen, mit Löchern übersäten Wellblechen. Sie waschen sich in dem Fluss der genau ans „Grundstück“ anschließt und die Kinder spielen neben dem Stacheldrahtzaun. Hausaufgaben werden auf dem Lehmboden sitzend auf dem Schoß gemacht, aber auch nur wenn die Familie einen Bleistift besitzt. Gegessen wird das eben noch so glücklich glucksende Huhn mit dem Reis der auf der anderen Seite der Schnellstraße wächst. Nicht alle Lebewesen sehen gesund aus, so begegnet man schon mal einem Mann der von Kopf bis Fuß mit dunklen Beulen übersät ist, einem Kind mit ungesund aussehendem, herausstehendem Bauchnabel oder Wunden die schon öfters aufgerissen und entzündet sein müssen. Wenn man schwanger ist kommt das Kind halt wenn es kommt und ob es Junge oder Mädchen wird weiß nur der liebe Gott. Auch das Geburtsdatum oder etwa der Name des Vaters sind Dinge, die ja nur überflüssiger Ballast für das Gedächtnis wären.
Ob die Menschen das alles stört? Nun ja Glück lässt sich nun mal nicht definieren. Einige brauchen dazu das neue Wii-Spiel oder das teure Kleid von Zara und andere brauchen nur sich selbst und freuen sich riesig über einen Brummkreisel oder über ein Lied das sie noch nicht kannten. Die Kinder hier sehen zumindest glücklicher aus als die in Europa. Sie erfreuen sich an Kleinigkeiten und toben ungestüm herum. Auch die Erwachsenen scheinen glücklich zu sein. Egal wie wenig sie besitzen sie geben immer noch etwas ab und sind gastfreundlich wie ich es noch nie zuvor erlebt habe. Sie sind alle sehr gelassen, denn so etwas wie Stress scheint hier nicht zu existieren.
Da die Nachmittagskurse erst nächste Woche starten fühlt sich mein Alltag schon sehr vertraut an. Und doch passieren immer wieder neue und unerwartete Dinge. Ich habe zum Beispiel zum ersten Mal Bananen frittiert, bin auf einem Traktor die Schnellstraße entlanggetuckert und habe alleine mit Robin eine Klasse unterrichtet.
Diese Woche war die Lehrerin der 1. Klasse übrigens nicht da, da ihr Bruder an einem Autounfall gestorben ist. Ich habe hier schon öfters Geschichten über unnatürliche Todesfälle gehört. Meine Tante zum Beispiel soll vergiftet worden sein und ein ehemaliger Lehrer in Santo Domingo erschossen. Diese ungeklärten Todesursachen scheinen hier so selbstverständlich zu sein wie bei uns Baustellen auf der A1 oder der Misserfolg der neuen Popstarsgewinner.
Manchmal erscheint mir Europa deshalb wie ein Wasserfall. Die Menschen ziehen genau wie das Wasser einfach an allem vorbei, nehmen ihre Umgebung kaum mehr wahr und können manchmal gar nicht mehr anhalten wenn es ihnen zu schnell wird. Sie spalten sich von einander ab um ihr Ziel zu erreichen.
In der Dominikanischen Republik fühle ich mich eher wie ein Teil eines ruhigen Baches. Er rauscht nur so vor sich hin und mal bleibt er für einen Augenblick stehen, weil ihn ein paar Gräser aufhalten oder ein Stein im Weg liegt. Nur zusammen ist das Wasser stark und kann weiter ziehen um Neues zu erreichen und Altes hinter sich zu lassen.
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